Den Anfang des Abenteuers hat 1988 Peter Turrinis \'Wirtin\' in St. Gerold gemacht. Die beiden Gründer des Projekttheaters, Sieglinde Müller und Dietmar Nigsch - beide gebürtige Großwalsertaler -, haben am St.Gerolder Sportplatz ein Zelt aufgestellt und ein wahres Theater(Zelt)fest veranstaltet. Erfolgreich haben die beiden das Große Walsertal zum sommerlichen Theatermittelpunkt gemacht.
Auslösender Moment und Grundstein der Theaterarbeit für die beiden Paten des Projekttheaters lassen sich im damaligen Programmheft nachlesen: \'Jeder von uns hat zu seiner Zeit das Tal verlassen und ist über Umwege zum Theater gekommen. In das \'Spannungsfeld\' zurückzukehren, das wir einst verlassen hatten, um dort eigenwilliges, gewagtes, glückliches Theater zu machen. Für eine kurze Zeit dort zu arbeiten, wo man aufgewachsen ist, ist für uns eine freudige Herausforderung. \'Heimzukehren\' weckt widersprüchliche Empfindungen und Erinnerungen. In der räumlichen Enge und Tiefe dieses Tales bekommen Begriffe wie Geborgenheit, Schweigen, Religiosität, Schmerz und Gewalt eine besondere Bedeutung, eine eigene Wertigkeit, die von uns kaum in Worte ausgedrückt werden kann. Die Anziehungskraft liegt für uns jedoch im wesentlichen in der verborgenen, dunklen und deshalb um so stärkeren Sinnlichkeit, die dieses Tal und seine Menschen ausstrahlen. Und finden sich nicht diese elementaren Gefühle und Zustände gerade im Theater wieder?\'
Die nächste Herausforderung war die Adaption eines alten Postautobusses als \'Theaterraum\' für Susanne Lohuizens Kinderstück \'Der Junge im Bus\'(Österreichische Erstaufführung). Das fahrende Theater hat es neben der Premiere und zahlreichen Vorstellungen in Vorarlberg auf 100 Vorstellungen in ganz Österreich gebracht. Regelmäßige Gastspiele in ganz Österreich sind seither die Regel: die wichtigsten Stationen sind Innsbruck, Linz und Wien.
Die Uraufführung von Walter Hillers \'Fröhliche Tage\' war schließlich der Beginn einer fruchtbaren Zusammenarbeit mit dem Saumarkttheater in Feldkirch. Auch hier hat sich der eingeschlagene Weg als richtig erwiesen: Das richtige Stück am richtigen Ort mit dem richtigen Partner. Im Saumarkttheater bzw. dem Kulturkreis Feldkirch hat das Projekttheater einen kongenialen Partner gefunden. Das Projekttheater bietet eine fertige Produktion inklusive Produktionsbudget, das Theater die erforderliche Infrastruktur.
Für das aufwendige Jugend-Umweltmusical \'Himmel, Erde, Luft und Meer\' von der Roten Grütze war das Linzer Theater Phönix der Koproduktionspartner. Erfolgreich wurde das Musical in Vorarlberg und Linz gespielt und ist damit ein weiteres Beispiel und Modell für eine geglückte Zusammenarbeit. Mit Harald Gebhartls \'Vatertag\' und dem einmonatigen Rahmenprogramm \'Tatort: Sexualität und Gewalt\' zum Themenkreis sexueller Mißbrauch hat das Projekttheater erstmals über einen längeren Zeitraum das Saumarkttheater \'in Beschlag\' genommen und hat die Theaterproduktion nur an einem Ort - nämlich in Feldkirch - gezeigt.
Mit Robert Schneiders \'Dreck\' widmete sich das Projekttheater schließlich erstmals einem Vorarlberger Autor. \'Wer hat meinen kleinen Jungen gesehen\' von Susanne Lohuizen war schließlich eine ungewöhnliche, von manchen Erwachsenen widersprüchlich aufgenommene Kindertheater-Produktion, die dritte in der kurzen Geschichte des Projekttheaters.
Für das nächste Stück wurde wieder einmal ein passender Rahmen gesucht. Und was lag bei Walter Jens\' \'Ich, ein Jud - die Verteidigungsrede des Judas Ischarioth\'(Österreichische Erstaufführung) näher als eine Kirche. Bei der Premiere und der ersten Vorstellungsserie in Wien gab die Ruprechtskirche die stimmige Naturkulisse ab. In Feldkirch war es schließlich dem Entgegenkommen der Diözese zu danken, daß sie für diese Theaterproduktion erstmals nach vielen Jahren die Pforten der Johanniterkirche öffnete. Heute scheint es schon geradezu selbstverständlich, daß in diesen Räumen Veranstaltungen – vorwiegend Ausstellungen - stattfinden.
Das nächste große Abenteuer im Sommer 1995 war schließlich die sparsame und zweckmäßige Adaption des ehemaligen Stella-Hallenbades im Feldkicher Reichenfeldareal zu einem \'Theaterraum\'. Auch dieses Gebäude stand 16 Jahre leer und ungenützt bis das Projekttheater dieses Gebäude mit der österreichischen Erstaufführung von Franz Xaver Kroetz\' \'Bauern sterben\' quasi wiedereröffnete. Seitdem ist auch dieses Gebäude ein beliebter Veranstaltungsort in Feldkirch geworden.
Mit den nächsten zwei Produktionen stattete das Projekttheeater Vorarlberg wieder einmal einem Theater seinen Besuch ab. Mit den \'Präsidentinnen\' von Werner Schwab wurde dieser Autor erstmals in Vorarlberg präsentiert. Diese Produktion erwies sich in weiterer Folge auch als ‚Renner\' auf den Gastspieltourneen: Es folgten Einladungen nach Deutschland und in die Schweiz. Mit dem musikalischen Liebesreigen \'Darling, I\'m in love\' betrat das Ensemble erfolgreich Neuland (wir haben gesungen und wie!) und zeigte diese Produktion erstmals im Vorfeld des viel und heißdiskutierten Schwulen- und Lesbenforums in Dornbirn.
Als erfolgreiche Partnerschaft hat sich die Koproduktion mit dem Posthof Linz für das Projekt \'Macht Liebe Tod – ein immer wiederkehrendes Spiel nach Schillers Kabale und Liebe\' erwiesen. Ohne Partner hätte diese Produktion aus finanziellen Gründen nicht stattfinden können.
Nach dem Klassiker widmeten wir uns wieder einer unserer Lieblingsautorinnen – bereits zum dritten Mal, der Holländerin Suzanne van Lohuizen mit ihrem Stück \'Dossier: Ronald Akkerman\'
Mit ein paar Tagen Vorsprung haben wir dem Burgtheater Wien die Ehre abgenommen einen amerikanischen Autor erstmals in Österreich vorzustellen: Nicky Silver. Sein Stück \'Pterodactylus\' fand im Feldkircher Hallenbad im Reichenfeld eine würdige Heimat. Es war für uns eine Herausforderung, ein zweites Mal diesen spannenden Raum zu nützen und so völlig als das erste Mal zu gestalten.
Mit dem \'Sokrates-Kassandra\'-Projekt bewegten wir uns nicht nur erstmals in der griechischen Antike, sondern ‚gastierten\' mit diesen zwei Produktionen, die an einem Abend gezeigt wurden, im Schwurgerichtssaal des Feldkircher Landesgerichts. Weitere Gerichtssäle in Österreich haben wir ins Auge gefaßt, um diesen Theaterabend an möglichst vielen Orten zeigen zu können.
Quasi als Jubiläumsproduktion (zum 10.Geburtstag) haben wir in Koproduktion mit dem Theater am Kirchplatz im liechtensteinischen Schaan Thomas Bernhards erstes Theaterstück \'Ein Fest für Boris\' realisiert.
Die Arbeiten des Projekttheaters liegen im Spannungsfeld zwischen Regionalkultur und überregionalen Aktivitäten. Manchmal fördern die ungewöhnlichen Spielorte kulturpolitische Diskussionen. Daraus resultiert eine kontinuierliche Theaterarbeit von unverwechselbarer konzeptueller, inhaltlicher und ästhetischer Prägung. Weiters sind wesentliche Elemente der Arbeit die begleitenden Maßnahmen, die zu einer Produktion angeboten werden: Vor- und Nachbearbeitung für Schulklassen, Publikumsdiskussionen zur Arbeit. Ziel des Projekttheaters ist es, Theaterarbeit transparenter zu machen, Theater aus dem (Kultur-)Ghetto zu holen - Diskussionen zu fördern, Kontakte zu Jugendlichen und Kindern im Rahmen der dementsprechenden Produktionen zu forcieren.
Geplant werden thematische Schwerpunkte, die es ermöglichen, ein Thema aus verschiedenen Blickwinkeln, unter verschiedenen Aspekten und mit verschiedenen Mitteln zu zeigen. Mit ausgesuchten Produktionen werden Autoren und deren Stücke vorgestellt, die in bestehenden Strukturen keinen Platz finden. Das Projekttheater will kontroversere Stücke und Inszenierungen zur Diskussion stellen. Die Auseinandersetzung mit dem Stück findet nahtlos seine Fortsetzung auch während der Aufführungserien im persönlichen Kontakt zum Publikum. Gedankenaustausch und Transparenz sind für das Projekttheater wichtig. Die bereits durchgeführten Publikumsdiskussionen und zahlreichen persönlichen Gespräche bei den vergangenen Produktionen bestätigen: Theater als lebendige Auseinandersetzung. Jede Geschichte, hat seinen eigenen Ort und findet seinen Platz. Theater als neu erfundenes Leben kann überall stattfinden.
In diesem Sinn sind auch die Bestrebungen zu sehen, flexibel für Gastspieltourneen zu sein, je nach Größe einer Produktion, in die entlegensten Winkel fahren zu können, wenn Interesse besteht. Ideen und konkrete Projektpläne hat das Projekttheater auch für die Zukunft zur Genüge, die Grenzen der Realisierung sind allerdings mit den finanziellen Möglichkeiten gesetzt.