06.01.2011,
20:30
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Schauspielhaus Wien
Kreisky - wer sonst?
Regie: Alexander Charim, Christine Eder, Rudolf Frey, Bastian Kraft, Daniela Kranz, Nina Mattenklotz, Kevin Rittberger, Lilja Rupprecht
Projektleitung: Bastian Kraft, Daniela Kranz
Start: 31. Dezember 2010 / 20:30 Uhr
Das Schauspielhaus Wien bleibt dem Seriellen auch in seiner vierten Spielzeit treu - und wendet sich einer gleichsam mythischen Figur, dem wichtigsten österreichischen Politiker der Zweiten Republik zu: Bruno Kreisky. Wie hat sich die Reputation des einstigen „Sonnenkönigs“ seit seinem Tod verändert? Wie muss man Kreisky heute eher sehen: als souveränen Staatsmann von internationalem Format, der Österreich durch radikale politische Entscheidungen erneuerte, oder als nonchalanten Operettenkanzler, der seine steile Karriere vor allem deshalb machen konnte, weil er die österreichische Spezialdisziplin des Opportunismus so virtuos beherrschte und die austromarxistische Linke entideologisierte und zur Volkspartei verniedlichte? Anhand der biografischen Stationen „Kaiser Brunos“, in der die Niederungen des Politikeralltags und die Mühen der Ebene nicht unberücksichtigt bleiben werden, wird es auch darum gehen zu fragen, wie Politik auf der Bühne überhaupt verhandelbar ist. Kann Theater unter den herrschenden gesellschaftlichen und ästhetischen Bedingungen noch ein Ort der politischen Auseinandersetzung sein? In Zeiten der Entsolidarisierung und des Niedergangs der europäischen Sozialstaaten wird die Vita Bruno Kreiskys, auch anlässlich seines 100. Geburtstags am 22. Jänner 2011, zum Ausgangspunkt einer - gewohnt lustvoll in Szene gesetzten - theatralischen Spurensuche nach den verbliebenen politischen Utopien und der prekären Entwicklung der Sozialdemokratie werden.
Der 1911 als Sohn einer jüdischen Industriellenfamilie in Wien geborene Kreisky erlebte vom Beginn des Ersten Weltkriegs an alle wesentlichen Stationen der österreichischen Geschichte des 20. Jahrhunderts: den austrofaschistischen Ständestaat und die Februarkämpfe 1934, den Zweiten Weltkrieg im schwedischen Exil, die Gründung der Zweiten Republik und die Geburt des modernen Sozialstaats. 1970 wurde er, mit Duldung der FPÖ, zum Kanzler einer Minderheitsregierung gewählt und blieb trotz anhaltender antisemitischer Ressentiments 13 Jahre lang im Amt. Die Reformen des Ausnahmepolitikers prägen Österreich bis heute und haben dazu beigetragen, einen weltoffenen, pluralistischen Wohlfahrtsstaat zu entwickeln: von der Neuordnung des Strafvollzugs und des Familienrechts über die Hochschulreform bis zur Legalisierung von Abtreibung und Homosexualität. Kreisky vereinte in seiner Person disparate politische Positionen - als Agnostiker war er um Aussöhnung mit der Kirche bemüht, als Jude tolerierte er den höchst unsauberen Umgang mit der Entnazifizierung Österreichs.
Thomas Bernhard brachte das Dilemma des Landes 1979 auf den Punkt, als er über Bruno Kreisky schrieb: „Er ist seit Jahren der gewohnheitsmäßig geliebte Abonnementbundeskanzler mit dem besten Schmäh, der keinem nützt und keinem schadet, eine süßsaure Art von Salzkammergut- und Walzertito, vor dessen Verschwinden alles Angst hat. Als ginge die Sonne unter, wenn Kreisky untergeht.“
PREMIERE: 31. Dezember 2010 / 20:30 Uhr
6., 7., 8. Jänner 2011 / jeweils um 20:30 Uhr
Folge 1: Der rote Prophet
Regie: Daniela Kranz
Wien in den 1930er Jahren. Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit, deutschnationale Rufe „heim ins Reich“, Propagandaschlachten im Parlament. Und ein wohlbehüteter Sohn einer jüdischen Bürgerfamilie kämpft redegewandt im Arbeitermilieu: Bruno Kreisky! Der Jus-Student und Jungsozialist schärft sein verbales Arsenal. Er hat viel vor. Hat ein Gespür für die Menschen auf der Straße. Und die Vision einer besseren Welt.