Ein Heimatchor besingt eine idyllische Gemeinschaft, in der »wir« groß geschrieben wird: »WIR sind viele, WIR sind glücklich, WIR lieben Kontrolle, WIR sind gerne betroffen, WIR sind uns selbst schon fremd genug.«
WIR sind in diesem Fall Linda und Paul sowie deren neue Nachbarn Barbara und Mario. Das erste Kennenlernen verläuft zögerlich, dennoch beschließt man, die nachbarschaftliche Beziehung zu pflegen. Man findet ausreichend gemeinsame Interessen: Die Männer lieben Flachbildschirme, die Frauen Yoga. Als eines Nachts ein mysteriöser Flüchtling vor der Tür steht, gerät die heile Welt der Wohlstandsbürger aus den Fugen – mit tödlichen Folgen. Barbara gewährt dem Fremden kurzerhand Asyl in ihrer Wohnung und stellt damit das Nachbarschaftsgeflecht vor eine Zerreißprobe. Bereits der Name des Fremden führt zu Streitigkeiten. Heißt er Bobo oder Klint? Kommt er aus Afrika oder Asien? Ist er, der angeblich eine schreckliche Odyssee hinter sich hat, bedauernswertes Opfer oder eine Bedrohung? Noch bevor man sich darüber einigen kann, sind der Fremde und Barbara plötzlich wie vom Erdboden verschwunden. Einzig der Heimatchor hat sein Urteil längst gefällt …
Der preisgekrönte deutsche Dramatiker Philipp Löhle, geboren 1978, spielt in seinem neuen Stück Wir sind keine Barbaren! abgrundtief und bitterböse mit den Ängsten vor dem Fremden. Ein Heimatchor mit Bürgerinnen und Bürgern aus Graz und Umgebung kommentiert das Geschehen zwischen pointenreicher Komödie und beklemmendem Wutbürgerspiel. Nach ihrer kritischen Auseinandersetzung mit europäischen Flüchtlingsdramen im Projekt Boat People stellt Regisseurin Christine Eder erneut das Überlegenheitsdenken in der Festung Europa in Frage.
Unter Mitwirkung des Chores Musica con GRAZia (Zuzana Ronck)