(ab 18 Jahren)
EINFÜHRUNG SA 30. APRIL 18.45 h in TQW / Studios - Eintritt frei
„Most of the time in social relations people are just negotiating their limits. How far, close are we next to each other? (…)It is all a game of borders .“ (Meg Stuart)
Wie setzen wir uns miteinander in Beziehung? Welchen Konventionen, welchem Benimmkanon, welchen vorgefertigten Protokollen unterwerfen wir uns dabei? Das Stück Until our hearts stop der Choreografin Meg Stuart führt uns in einen Abend des Grenzen-Auslotsens, des kontinuierlichen Grenzen-Streckens, bis es vermeintlich grenzen-los wird. Schon der Titel benennt die Unmöglichkeit, zu entkommen. Die Protagonist_innen des Abends begeben sich in das leidenschaftlich Ausweglose. Sie sehnsüchteln nach Liebe, nach Berührung, sie suchen Nähe, ringen mit Ängsten und Mutlosigkeit und verzweifeln an der Enttäuschung.
Die sechs Performer_innen und drei Jazz-Musiker_innen begeben sich dabei in einen Raum, in dem das Hoffnungsvolle sie ebenso in Empfang nimmt wie das Verletzliche. Und wie in der ersten Verliebtheit, in dem zarten Beginn aus Annäherung, in der noch nicht enttäuschten Idealisierung des Vis-à-vis, nimmt auch dieser Abend behutsam, in einem Ertasten, dann Erreichen, dann Befühlen und Begreifen seinen Anfang. Ist dieser Moment etabliert, erfolgt jedoch sowohl musikalisch – mit Big-Band-fulminanten Sounds – wie auch im Tempo der Bewegungen ein Anlauf und alles wird schneller, intensiver, getriebener. Bis die Stimmung den Klimax erreicht, der einen Wendepunkt hin zur Stille bedeutet, in der das Ringen um Atem den Raum dominiert.
„We say that the body is a container for memories sometimes we just don’t know what’s in store and what will possibly trigger what …“, sagt Meg Stuart und beschreibt damit den Umstand, den in Until our hearts stop die Protagonist_innen des Abends erfahrbar machen, wenn sie in Zweisamkeitsversuchen in Entzweiung scheitern, wenn sie in der Gemeinsamkeit auf Gemeinheit stoßen, wenn das Begehren zu einem schmerzlichen Verzehren mutiert. Die gefühlte Willkür würde vielleicht verzweifeln lassen, wäre da nicht das Spiel ... Ein Spiel, das Leichtigkeit bedeutet, das verführt, das seinerseits Grenzen verrückt oder sich herausnimmt, sie zu ignorieren. Nacktheit, die das Spiel neckisch tarnt, wird durch unseren Voyeurismus entlarvt und wir sind Kompliz_innen im Brechen von Grenzen, durch das letztlich soziale wie auch politische Strukturen infrage gestellt werden.
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CHOREOGRAFIE: Meg Stuart
ENTWICKELT UND PERFORMT VON: Neil Callaghan, Jared Gradinger, Leyla Postalcioglu, Maria F.Scaroni, Claire Vivianne Sobottke, Kristof Van Boven
LIVEMUSIK: Samuel Halscheidt, Marc Lohr, Stefan Rusconi
ORIGINALMUSIK: Paul Lemp, Marc Lohr, Stefan Rusconi
DRAMATURGIE: Jeroen Versteele
BÜHNENBILD: Doris Dziersk
KOSTÜME: Nadine Grellinger
LICHT: Jurgen Kolb, Gilles Roosen
TECHNISCHE LEITUNG: Oliver Houttekiet
SOUNDTECHNIK: Richard König
BÜHNELEITUNG: Pierre Willems
STAGEHAND: Bart Van Bellegem
TOURMANAGERIN: Annabel Heyse
PRODUKTIONSMANAGERIN: Sabrina Schmidt
GARDEROBIERE: Patty Eggerickx / Emma Zune
CHOREOGRAFIEASSISTENZ: Francisco Camacho
ASSISTENZ BÜHNENBILD: Giulia Paolucci
ASSISTENZ KOSTÜME: Davy van Gerven
KÜNSTLERISCHE ASSISTENZ: Igor Dobricic
PRODUKTION: Damaged Goods (Brüssel) und Münchner Kammerspiele
KOPRODUKTION: PACT Zollverein (Essen), Ruhrtriennale – Festival der Künste
Mit besonderem Dank an Klara Luhmen, Peter Pleyer, Dasniya Sommer, Tami Tamaki,
Aurore Werniers und Uferstudios (Berlin)
Meg Stuart & Damaged Goods werden von der REGIERUNG FLANDERNS unterstützt.
Diese Performance ist dem Musiker Paul Lemp gewidmet.
www.damagedgoods.be
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Meg Stuart (geboren in New Orleans) ist Choreografin und Tänzerin und lebt und arbeitet in Berlin und Brüssel. Sie studierte Tanz an der New York University und setzte ihre Ausbildung bei Movement Research fort, wo sie Formen der Release-Techniken erlernte und war in der New Yorker Tanzszene aktiv.
Auf die Einladung hin, beim Klapstuk Festival in Leuven (1991) zu performen, schuf sie ihr erstes abendfüllendes Stück „Disfigure-Study“, das ihre künstlerische Karriere in Europa lancierte. In dieser Choreografie, nähert sich Stuart dem Körper als angreifbare physische Einheit an, die dekonstruiert, verzerrt oder verschoben werden kann, und dabei immer noch spürbar bleibt und Sinn ergibt. Mit einem Interesse an der Ausarbeitung ihrer eigenen Struktur, gründete Stuart 1994 in Brüssel die Compagnie Damaged Goods, um ihre künstlerischen Projekte zu entwickeln. Damaged Goods ist eine flexible, offene Struktur, die die Produktion von stark variierenden Projekten und interdisziplinäre Zusammenarbeit ermöglicht.
Stuart ist bestrebt, eine neue Sprache für jedes Stück in Zusammenarbeit mit Künstler_innen aus verschiedenen kreativen Disziplinen zu entwickeln und arbeitet im Spannungsfeld zwischen Tanz und Theater. Die Verwendung von Theater-Objekten, neben dem Dialog zwischen Bewegung und Erzählung, sind wiederkehrende Themen in ihren Choreografien. Stuarts choreografische Arbeit dreht sich um die Idee eines unbeständigen Körpers, der verletzlich und selbstreflexiv ist. Durch Improvisation, erkundet Stuart körperliche und emotionale Zustände oder die Erinnerungen an sie. Ihre künstlerische Arbeiten steht analog zu einer ständig wechselnden Identität. Sie re-definieren sich ständig selbst auf der Suche nach neuen Präsentationskontexten und Bereichen für den Tanz.
Damaged Goods kooperiert oft mit dem Kaaitheater (Brüssel), dem HAU Hebbel am Ufer (Berlin) und die Münchner Kammerspiele. Auf Einladung des künstlerischen Leiters Johan Simons, kooperiert Meg Stuart/Damaged Goods von 2015 bis zum 2017 mit der Ruhrtriennale. 2015-2016, tourt Meg Stuart/Damaged Goods mit den Stücken VIOLET (2011), Built to Last (2012), Sketches/Notebook (2013), An evening of solo works (2013), Hunter (2014) und UNTIL OUR HEARTS STOP (2015).