Nachdem er sich um Kopf und Kragen geredet hat, um seine Mitdiskutanten davon zu überzeugen, dass das Orlando Attentat ein Angriff auf die LGBT Community war und nicht einfach ein Angriff auf irgendwelche sich in einem Abendlokal vergnügende Menschen, verlässt der britische Journalist Owen Jones das TV-Studio (16. Juni 2016). Zuerst der Schock darüber, dass nach Jahrzehnten kontinuierlich wachsender Akzeptanz und Toleranz solch ein Attentat, gespeist aus unterdrücktem Begehren, Selbsthass und Homophobie, noch möglich ist und dann die Erkenntnis, dass die offene Gesellschaft in sich nicht so offen ist, sondern die Umstände dreht und wendet wie sie sie brauchen kann. Am stärksten ist der Clash dort, wo es um die Grundlagen sexueller Selbstbestimmung geht.
In Clash beleuchten performative Dokumente aus der Vergangenheit das Orlando Attentat:
zum einen der Dokumentarfilm Paris is Burning (1990) über die schwarze und Latino Gay und Transgender Community und ihre Überlebensstrategien im New York der 80er Jahre (Popularisierung des Vogueing) und zum anderen der Solo-Abend Roy Cohn / Jack Smith des Wooster-Group Schauspielers Ron Vawter, in dem er zuerst den republikanischen schwulenhetzenden und verdeckt schwul lebenden Staatsanwalt (und nebenbei Mentor von Donald Trump) Roy Cohn verkörperte und danach als Gegenpol eine schwule Ikone, den experimentellen Filmemacher und Performer Jack Smith, 60er Jahre Vorreiter der zeitgenössischen queeren Kultur. Die Verkörperung dieser Antipoden durch ein und denselben Schauspieler war so präzise, psychologisch so entlarvend, dass man versucht war zu glauben, es handle sich um ein historisch abgeschlossenes Symptombild. Was, wie Orlando gezeigt hat, absolut nicht stimmt, im Gegenteil. Wieso erreicht stattdessen die Verdrängung eine so explosive Stärke? Wie müssten Verdrängung und Zurschaustellung, Verbergen und Transparenz, Verschwiegenheit und Zumutung abgemischt sein, damit eine offene Gesellschaft von solchen Clashs verschont bleibt?
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Clash steht in einer Linie mit DeSacre!Pussy Riot meets Vaclav Nijinsky (2013), Maybe the way you made love twenty years ago is the answer? (2014) und untitled (look, look, come closer) (2015) als ideologiekritische Performance, als Bühnenessay, in dem körperlich emotionale und reflektierende Ebenen miteinander wirksam sind.
KONZEPT, CHOREOGRAFIE: Christine Gaigg
MIT: Max Fossati, Christine Gaigg, Robert Jackson
RAUM, LICHT: Philipp Harnoncourt
MUSIK, SOUND: Florian Bogner
DRAMATURGISCHE BERATUNG: Wolfgang Reiter
PRODUKTIONSLEITUNG: Eva Trötzmüller
KOPRODUKTION: 2nd nature, Tanzquartier Wien und Centre chorégraphique national de Caen en Normandie
Christine Gaigg, freie Choreografin (2nd nature), Regisseurin und Autorin, lebt und arbeitet in Wien. Studium der Philosophie und Linguistik an der Universität Wien, Tanz- und Choreografieausbildung an der SNDO Amsterdam. Kollaborationen mit Komponisten: mit Max Nagl Sacre Material (2000, Österreichischer Tanzproduktionspreis), ADEBAR/KUBELKA (2003, im Rahmen des Filmfestivals Viennale), mit Bernhard Lang TRIKE-Serie (2004-2009, Kaitheater Brüssel, musikprotokoll, Tanzquartier Wien, Theater am Neumarkt Zürich, ImPulsTanz), mit Bernhard Gander und Klangforum Wien Seven Cuts (2011, ImPulsTanz). Eröffnung des steirischen herbst 2010 durch Gaigg/Harnoncourt/Lang/Ritsch mit Maschinenhalle#1, in Wien im Semper Depot aufgeführt; mit Klaus Schedl untitled (look, look, come closer) ImPulsTanz 2015 in Koproduktion mit netzzeit. Bühnenessays: DeSacre! Pussy Riot meets Vaslav Nijinsky (2013) Tanzquartier Wien, Josephskapelle; Maybe the way you made love twenty years ago is the answer? (2014) steirischer herbst und Tanzquartier Wien. Regie: Über Tiere von Elfriede Jelinek (2007, Theater am Neumarkt Zürich) und Wenn die Kinder Steine ins Wasser werfen von Xaver Bayer (2012, Schauspielhaus Wien).