Eine Frau im Verlies: Margarethe, von Faust verführt, wurde zur Kindsmörderin und dann zum Tode verurteilt. Im Kerker wartet sie auf ihre Hinrichtung. Elfriede Jelinek nimmt die Gretchentragödie als Ausgangspunkt für ihr „Sekundärdrama“, ein Begleitstück, das nur im Zusammenhang mit Goethes Faust gezeigt werden darf. Sie verwebt in ihrem Text den klassischen Stoff mit Fällen von eingekerkerten Frauen und ihren Peinigern aus der jüngsten österreichischen Geschichte. So filtert Elfriede Jelinek aus wohlbekannten und -behüteten Satzgebilden und Gedankenmustern den ideologischen Bodensatz heraus. Aus dem einen Gretchen werden zwei Protagonistinnen, die zitieren und spotten, verführen und anklagen, die Täterinnen und Opfer zugleich sind. Und die Gretchenfrage lautet jetzt: „Sollen wir das mit der Religion auch noch bringen?“
In Jelineks exzessivem Faust-Kommentar wird das Ungeheuerliche im Menschen ebenso sichtbar wie das Menschliche in der Ungeheuerlichkeit – „Das wird man doch wohl noch sagen dürfen, oder?“