In dieser Performance kümmere ich mich zum ersten Mal in meiner künstlerischen Arbeit um mein Dorf, indem ich die Stimme seiner Leute und seine Erzählungen zum Zentrum meines Tanzes mache. Ich möchte durch diese Arbeit auch verstehen, wie sich Leute fühlen oder gefühlt haben, wenn sie ihr Land verlassen haben, um Geld zu verdienen, nach einer besseren Zukunft zu streben oder um das zu machen was sie wirklich machen wollen. Ich möchte verstehen, ob sie sich um „Calamocos“ kümmern oder nur um sich selbst. Und ich möchte wissen, ob ich durch diese Arbeit eine Möglichkeit finde, mich um „Calamocos“ zu kümmern.
„Calamocos“ ist ein kleines Dorf in Nordspanien in der Region „El Bierzo“, mein Dorf. Seit vielen Jahren, wie viele junge Spanier, kümmere ich mich kaum um es- oder eher sie (Frauen waren immer wichtig in „Calamocos“). Dieses Nicht-kümmern ist nicht ein absichtliches „Nicht-kümmern“. Die Arbeitslosigkeit und die Krise und die Möglichkeiten des Auslands haben uns dazu gebracht, dass wir unsere Arbeit woanders ausüben. Es ist nicht das erste Mal in der Geschichte von „Calamocos“, dass die jungen EinwohnerInnen in einem fernen Land landen und nie wieder zurückkehren. Mehr als die Hälfte der BewohnerInnen des Dorfes war schon GastarbeiterInnen in der Schweiz, in Deutschland, Frankreich oder Argentinien seit dem spanischen Bürgerkrieg.
Jedes Mal, wenn ich zurückkehre, wieder jemand ist arbeitslos, leidet an Krebs, ist deprimiert oder plant eine neue Zukunft im Ausland. Am Abend essen wir „Pipas“ in der Dorf-Bar und versuchen die Welt zu verbessern und sind so dankbar, dass wir trotz prekärer finanzielle Lage doch nicht so arm sind. Manche beneiden mich darum, dass ich den ganzen Tag nur tanzen und schreiben kann. Viele kommen gar nicht mehr dazu ihre Leidenschaften auszuüben. Andere erzählen von ihrem Glück oder ihren Schwierigkeiten im Ausland.
In einer ersten Phase dieses Projektes interviewe ich BewohnerInnen und ehemaligen BewohnerInnen des Dorfes. Ich frage sie nach der Geschichte des Dorfes und nach ihren Erfahrungen als Gastarbeiter im Ausland oder als Studierende in der Großstadt. Aus dem gesammelten Material der Interviews kreiere ich eine fiktivreale Narration auf Englisch und Spanisch, erzählt aus der Sicht von drei fiktiven Charakteren. Diese sind eine Uhrgroßmutter, eine Großmutter und eine Mutter. Alle drei heißen „Milagros“ (Wunder) und repräsentieren eine andere Sicht auf Generation, Krise und Emigration. Der Grund, warum ich diese drei symbolischen weiblichen Charaktere ausgewählt habe, ist das in „Calamocos“, wenn die Frauen zusammen arbeiten, wird sehr viel über die Geschichte des Dorfes erzählt. Frauen aller Generationen kommen zusammen um Kartoffeln und Kirschen zu ernten oder um die Kirche zu dekorieren oder um heiße Schokolade und „Churros“ zu kochen. Alles was ich über meineFamilie und Traditionen weiß, wurde mir beim Zusammenarbeiten mit meiner Großmutter, meinen Tanten, Cousinen und Nachbarinnen vermittelt. Ich werde nie vergessen, als meine Großtante mir beim „Churros“ kochen erzählte, dass sie sich großen Sorgen machte als sie in der Schweiz lebte, ob mein Uhrgroßvater wohl gute Reissuppe bekommen würde und dabei fragte sie sich, warum sie nicht schwanger wurde. Als sie wieder nach Calamocos zurückkehrte, wurde sie sofort schwanger.
Nach der Textkreationsphase untersuche ich körperlich, wie ich durch Bewegung und Sprache mein Dorf aus der Sicht der drei Frauen rekonstruieren kann. Inspiration für das choreographische Material sind verschiedene Arbeitsvorgänge, wie kochen, nähen oder ernten. Manche Teile des Textes werden auch choreographiert durch verschiede Parameter der Tanzkomposition wie: Dynamik, Zeit, Wiederholung, etc.; oder durch den Einfluss der Sprache in der Bewegung.Die Sammlung der Texte und „Churros“ werden während der Performance verkauft als Spende, um in meiner Region die Performance spielen zu können. Mehr als die Hälfte ihrer EinwohnerInnen waren noch nie im Theater.
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