Als Kind hatte ich eine schwere Krankheit, eine lebensgefährliche Krankheit, eine Vergiftung. Ich hatte vergiftete Milch zu trinken bekommen.
Das geschah in den letzten Kriegsmonaten häufig, viele Kinder starben daran. Ich kam ins Spital und magerte immer mehr ab, sie legten mich schon in die Totenkammer. Sechs Wochen lang konnten mich meine Eltern nicht besuchen, sie waren ausgebombt und versuchten ein Quartier zu finden. Als mich meine Mutter wieder besuchte, war ich dick und fett und lachte sie an. Ich habe immer das Gefühl, daß ich damals gestorben bin und mich seitdem lächelnd erfinde.
Meine Liebe! Auf der Rückfahrt von Italien habe ich in Kärnten Station gemacht. Bei meinem Eintreffen in Biberach an der Riß und bei unserem Wiedersehen wollte ich irgendwie südlich aussehen, ich komme ja auch von dort. Ich habe mich im Zimmer meines Bruders vor eine Höhensonne gesetzt, ungefähr eine Stunde, ich wollte sehr braun werden. Am nächsten Morgen bin ich um fünf Uhr mit furchtbaren Schmerzen aufgewacht.
Meine Augen brannten wie Feuer, und ich sah alles wie durch einen Schleier. Mein Bruder und meine Schwägerin haben mich sofort zu einer Augenärztin gebracht, irgendwie hatte ich das Gefühl, daß sie das Lachen nicht verkneifen konnte. Sie stellte eine Verbrennung der Bindehaut fest, verklebte meine Augen mit Salbe und Verbänden und trug mir auf, drei Tage und Nächte in diesem Zustand zu verweilen. Heute ist der vierte Tag, und ich schreibe Dir diesen Brief. Am Wochenende werde ich in Biberach sein, ich werde dunkle Brillen tragen und Dich um Entschuldigung für die Verspätung bitten.
Das Schönste am Theater ist, daß man immer wieder alles neu erfinden kann. Am Theater kann man alles behaupten, es muß nur interessant weitergehen. Eine verlebte, laszive, geschminkte, ältere Frau tritt auf und sagt, sie sei eine Hure, leider blieben in letzter Zeit die Freier aus. Interessant, denkt sich das Publikum, und wie geht die Sache weiter?
Die alte Hure wischt sich die Schminke aus dem Gesicht, legt sich einen Schleier um den Kopf, sagt, sie sei die Mutter Teresa und sie hätte gerade den Friedensnobelpreis bekommen. Das Publikum ist keineswegs empört, es will nur wissen, was jetzt kommt. Fährt sie nach Stockholm oder geht sie wieder zurück auf den Strich?
Im Theater ist alles möglich, besonders das Gegenteil. Es ist in keine Ordnung zu bringen.
(Auszüge aus C’est la vie)
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