~~Das sirene Operntheater zeigt: Gilgamesch, die Uraufführung eines szenischen Oratoriums von René Clemencic.
Seit 5.000 Jahren ist König Gilgamesch aus Uruk unterwegs auf der Suche nach der Unsterblichkeit und der Antwort auf die großen Fragen der Menschheit. Kein Glaube oder Vorurteil besteht vor seinem Zweifel. Die Unsterblichkeit, die dem heldenhaften Herrscher im Leben versagt blieb, wurde ihm schließlich durch die Überlieferung seiner Geschichte zuteil, die erhaltenen Tontafeln des akkadischen Schreibers Sin-leqe-unnini von 1.200 v. Chr. blieben durch die Jahrtausende im Wüstensand vor den Zeitläuften bewahrt. In Mesopotamien, wo einst die Schrift und die Zeitmessung erfunden und Sternzeichen benannt wurden, leidet heute der Irak unter Kriegen und den marodierenden Truppen, die Kulturstätten wie Ninive und historische Artefakte in den Museen vernichten. Auch angesichts dieser Katastrophe ist es wichtig, diese älteste überlieferte Erzählung der Menschheit vor dem Vergessen zu retten und sie weiterzuerzählen.
Zwei große Themen, die im Epos verhandelt und verbunden werden, machen den Gilgamesch zu einem ewig aktuellen, universellen Stoff. Einerseits wird der königliche Held mit seiner eigenen Sterblichkeit konfrontiert und muss einen Weg finden, angesichts des Todes dennoch ein fruchtbares und verantwortungsvolles Leben zu führen. Andererseits wird die Position des Menschen zwischen seinem natürlichen Ursprung und seiner stolzen Bestimmung, der Göttlichkeit, gesucht. Durch die Zivilisation, gewissermaßen seine Menschwerdung, verliert der Tiermensch Enkidu - heimlicher Held des Stückes - seine Natur, am Totenbett beklagt er, den animalischen Frieden verloren zu haben. Gilgamesch hingegen, der ungestüme Selbstverwirklicher, will seine menschliche Sterblichkeit nicht akzeptieren. Er will Übermensch und Gott werden, um unsterblich zu sein.
Der Mensch ist weder Tier noch Gott. Er ist - so beschreibt Sin-leqe unnini seinen Helden - zu einem Drittel Erde und zu zwei Dritteln Gott. Die Göttlichkeit, das lernt Gilgamesch auf seinem Weg durch die Unterwelt, erreicht das Tier Mensch durch die Kultur und die Erinnerung der Nachwelt, die ihn weiterleben lässt und unsterblich macht.
Frühen sumerischen Aufzeichnungen zufolge wurden die Epen dem Herrscher vorgesungen, während er mit seinen Beratern und Freunden zu Tisch saß und Bier trank. René Clemencic setzte deshalb bei seiner Vertonung des Epos auf den Gesang. 16 Protagonisten besingen die Kämpfe und Leiden und die Reisen des Helden ans Ende der Welt, begleitet von einem sehr ungewöhnlich besetzten Kammerorchester von fünf Streichern, fünf Blechbläsern und sage und schreibe fünf Schlagwerkern. Als Spezialist auch für Alte Musik weiß Clemencic dabei genau, was die menschliche Stimme kann: erzählen.
Kristine Tornquist hat das Libretto nach den originalen Texten eingerichtet.
Das sirene Operntheater bringt das 90minütige Oratorium auf der großen Bühne der Expedithalle der Brotfabrik zur Uraufführung, unter anderem auch mit Mitteln des Schattentheaters.
Eine Reihe von Vorträgen vor den Vorstellungen fokussiert einige interessante Aspekte dieses ältesten literarischen Textes der Menschheit. Dabei sprechen etwa Burghart Schmidt, Klaus Eulenberger und Gudrun Harrrer über die Metropole Uruk, medizinische Aspekte der Unsterblichkeit, die aktuelle politische Situation im Irak oder andere kulturhistorische Aspekte.
Im Foyer stellen sieben Künstler unter dem Titel Zeitschatten von ihnen gestaltete Guckkästen aus, die einen Blick in die Tiefe von Raum und Zeit ermöglichen. Barbara Graf, Markus Guschelbauer, Iris Kohlweiss, Leo Peschta, Lea Titz, Vesna Tusek und Natalia Weiss führen den Blick des Betrachters in weite Ferne.
Ort: Expedithalle der Brotfabrik, Wien 10, Absberggasse 27.
Termine: 22., 23., 24., 27., 28., 29. Mai 2015
Eröffnung der Ausstellung 18.30 Uhr, Vortrag 19:30 Uhr, Gilgamesch 20:30-22:00 Uhr.
Tickets zu € 25.- (€ 15.- ermäßigt für Schüler, Studenten bis 30, Lehrlinge): www.sirene.at/karten, sirene@sirene.at oder Tel. 0650/676 13 11.
Idee und Text. Kristine Tornquist
Musik. René Clemencic
Gilgamesch. Nicholas Spanos
Enkidu. Gernot Heinrich
Ischtar / Schamchat. Lisa Rombach
Aruru / Ninsun. Ingrid Habermann
Schamasch / Ea. David Jagodic
Enlil / Anu. Apostol Milenkov
In weiteren Solo-Rollen.
Sopran. Romana Amerling
Sopran. Susanne Kurz
Mezzo. Anna Manske
Tenor. Willi Spuller
Tenor. Bernd Lambauer
Bassbariton. Johann Leutgeb
Bassbariton. Clemens Kölbl
Musikalische Leitung. François-Pierre Descamps
Regie. Kristine Tornquist
Bühne. Jakob Scheid
Kostüm. Markus Kuscher
Ausstattung. Roman Spiess
Maske. Csilla Domjan
Licht/Technik. Edgar Aichinger
Dramaturgie. Isabelle Gustorff
Produktion. Jury Everhartz