Haben wir nicht nur die Gene unserer Vorfahren „geerbt“, sondern auch deren Geschichte(n)?
Die Wiener Choreografin Nadja Puttner beschäftigt sich in ihrem aktuellen Stück mit der Frage, wie die Erlebnisse und Erinnerungen unserer Eltern und Großeltern in uns weiterleben und unser Denken und Handeln unbewusst beeinflussen. Zwei Tänzerinnen und ein Kontrabassist begeben sich auf eine Reise in die Vergangenheit, beleuchten unser psychohistorisches „Erbe“ der letzten 100 Jahre und suchen nach Wegen, damit in der Gegenwart verantwortungsvoll und offen umzugehen. Das Ensemble Unicorn Art zeigt kraftvolles Tanztheater, das nachdenklich macht und die Seele berührt.
Inhalt: Du bist, was deine Vorfahren erlebt haben, oder?
Mehr als 25 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs träumt ein fünfjähriges Mädchen von Fliegeralarm und Bombenangriffen, die es nie erlebt hat und von denen es eigentlich nichts wissen kann. Jahre später erzählen die Großeltern vom Krieg, den sie im Widerstand gegen die NS-Diktatur teils in Gefangenschaft miterlebt haben. Und sie erinnert sich. Auch an das Gefühl der Hilflosigkeit und des Eingesperrtseins, das sie ihr ganzes Leben lang nicht mehr loslassen wird.
Ein anderes Mädchen beginnt bereits als Siebenjährige, sich bewusst vom Leben zurück zu ziehen. Bedrückt und eingeschüchtert von dem Schweigen, das in ihrer Familie omnipräsent ist, versteckt sie sich nun selbst hinter einer Mauer des Schweigens. Auch als Erwachsene wird sie nicht wagen, das auszusprechen, was sie wirklicht denkt und fühlt.
Kriegstraumata, Hunger, Verfolgung und Gefangenschaft, brutale Erziehungsmethoden und verdrängte Schuldgefühle der Vorfahren - ist die zunehmende Verbreitung von Angstzuständen, Depressionen und sozialen Problemen in unserer Generation die logische Folge der Ereignisse der letzten 100 Jahre?
Können wir aus der Geschichte unserer Vorfahren lernen, oder ist es besser zu verdrängen und zu vergessen? Und warum erscheinen uns Krieg, Flucht und Verfolgung heute oft so unwirklich, wie gruselige Geschichten aus einer fernen Welt, obwohl unsere Großeltern noch unmittelbar davon betroffen waren? Und obwohl wir täglich von Medienberichten über aktuellen Kriegsschauplätze konfrontiert werden und Kriegsflüchtlinge nach Europa strömen?