Der von Welt und Frauen zurückgezogene Künstler Pygmalion formt sich in der klassischen Version des Stoffes bei Ovid seine perfekte Frau aus Elfenbein. Die Liebesgöttin Venus haucht diesem, später Galathea genannten, Werk das Leben ein, wodurch auch die sexuelle Verbindung des Künstlers mit seinem Werk ermöglicht wird. Das zeitgenössische Tanzstück „Pygmalion Nullpunktzwei“ greift die in dieser Thematik steckenden Wünsche und Sehnsüchte auf: So folgt es dem Begehren nach einem double, einem einen selbst spiegelnden Gegenüber, einer oder eines Geliebten – und visiert nicht zuletzt auch das Verlangen an, sich selbst völlig zu verstehen und gänzlich verstanden zu werden.
Aufbauend auf einem Solo von Silke Grabinger führt SILK Fluegge die Bearbeitung des Pygmalion-Mythos nun mit drei Performern weiter. Dabei wiederholen sich die stofflichen Momente des Mythos – die Entsagung, die Schöpfung und die Vereinigung – in einer fraktalen Struktur im Laufe des Stücks. Der Tanz selbst entfaltet sich von einem repräsentierenden Solo über ein gegenüberstellendes Duo hin zu einem Trio; eine Entwicklung, die auch die Rollen des entbehrenden Pygmalions, der erschaffenen Galathea und der zusammenführenden Venus nicht auf ihren Stellen lässt. Damit wird auch der Versuch unternommen, die Vermittlung der Liebesgöttin zu übergehen, – nicht mehr ihr obliegt es, Objekt zu Subjekt zu machen. Anstelle dessen erschafft die Kombination aus dem musikalischen Geflecht der Orgelmusik Jeremy Josephs, der Komposition Rojin Sharafis sowie der Choreografie Grabingers die Lebendigkeit des Kunstwerks. Indem die Liebesgöttin nicht mehr im Akt der Schöpfung, sondern bloß dem der Vereinigung zugegen ist, macht das Stück das radikale Glücksversprechen von Kunst geltend: gerade in der Entsagung von der Welt etwas wahrhaft Lebendiges zu schaffen, das in einer Vereinigung mit der Welt wiederum diese mit seiner Freiheit begeistet.
Credits:
Künstlerische Leitung und Choreografie: Silke Grabinger
Choreografische Assistenz: Gergely Dudás-Simó Company
Management: Olga Swietlicka
Produktionsleitung: Manon Chauveau
Produktionsteam: David Brandstetter, Marie Scholze
Lichtdesigner: Max Windisch-Spoerk
Kostüm: Bianca Fladerer
Dramaturgie: Ludwig Felhofer, Silke Grabinger
Performer:innen: Elias Choi-Buttinger, Gergely Dudás-Simó, Kirin Espana, Silke Grabinger
Musikkomposition, Live Performance: Rojin Sharafi
Orgel: Jeremy Joseph
Foto: Silke Grabinger